Sklavin aus Liebe
ein orientalisches Märchen
von Ulli Dillis
mit zwei Graphiken von John Willie
und
Jennifer Albrecht
gewidmet
- Teil 3 -
Man betrat, die Pferde an der Leine, nun den weiten Garten des Kaufmannssohnes, und das gesamte Haus lief
zusammen, um den Heimkehrer zu begrüßen, die Köchin, der Gärtner, das
Mädchen, das für die Sauberkeit Sorge zu tragen hatte, die alte Wäscherin und
schließlich auch der Verwalter. Dieser hatte eine Gruppe von Männern um sich
geschart, vier an der Zahl, und der Kaufmannssohn dachte bei sich, daß des Verwalters Schulden
wohl unermeßlich sein mußten. Er erwiderte die Begrüßung, doch niemand sah ihn
richtig an.
Alle bewunderten stieren Blickes die Sklavin, die er mit sich führte.
Glücklicherweise schien es sich bei den Männern um den Verwalter nicht ausnahmslos um
Geldgeber zu handeln, denn einer aus dieser Runde trat hervor, verbeugte sich
tief und sprach: "Ich bin ein Sattler und gerade dabei, Eure Reitpferde neu zu
zäumen und zu satteln. Wie ich sehe, führt Ihr gar prächtige Rösser mit Euch, doch Zaumzeug und Sättel
litten, wie ich sehe, auf Eurer Reise." Der junge Herr stimme ihm
zu, überließ ihm die Pferde und bat ihn, nachdem er und die Sklavin sich
erfrischt und gespeist hätten, sich gegen Abend in seine Gemächer zu begeben, da
er seiner
Dienste bedürfe.
Er winkte aus der Runde seiner Bediensteten das Mädchen, das für die Sauberkeit Sorge zu tragen
hatte, zu sich und trug ihr
auf, indem er ihr die unterwegs erworbenen Gewänder übergab, die Sklavin in
ihr Badegemach zu führen, ihr dort behilflich zu sein und sie anzukleiden.
Nachdem das Mädchen die Sklavin ins Innere des Hauses geleitet hatte, geruhte
die Gesellschaft nun endlich, auch den Kaufmannssohn wahrzunehmen. Dieser schritt
auf seinen Verwalter zu, der sich jetzt beeilte, die drei verbliebenen Männer aus
seiner Runde ihm vorzustellen.
Er wies auf den ersten: "Mustafa, Seidenhändler aus Kayseri in Kappadokien!".
Der Kaufmannssohn fragte: "Aus Kappadokien? Wie ich hörte, leben die Menschen dort unter
der Erde!" Der Seidenhändler lachte herzlich und sprach: "Das
war vor langer Zeit und in großer Not. Der Stein bei uns ist weich, und so grub
man sich Orte der Zuflucht. Doch heute lebt man auch bei uns in Häusern, die Euren
gleichen!".
Man gab sich die Hand, und nun war der zweite an der Reihe. Der Hausverwalter
wies auf ihn und sprach: "Achmed aus Urfa, er handelt mit Töpferwaren und
Geschirr." Der Kaufmannsohn fragte: "Wie geht es den Karpfen in Urfa?" Achmed antwortete:: "Sie sind gemästet wie jedes Jahr. Ihr wißt
ja, man hält sie bei uns für heilig. Zuweilen wünschte ich mir, Allah sähe für
kurze Zeit weg von dem Teiche, und es sprängen ein paar in meine Küche und auf
meinen Herd." Man lachte allgemein, und schließlich wurde auch der dritte
vorgestellt, der seine Sklavin mit besonders gierigen Augen bedacht hatte.
Der Verwalter sprach dabei: "Mahmut aus
Antiochia, er handelt mit Geschmeide aus Arabien." Der Kaufmannssohn fragte: "Aus
Antiochia seid Ihr? Wie geht es dieser armen Stadt, die ein Unwetter so
gräulich zugerichtet hat in diesem Frühjahr?". Mehmet erwiderte
nach kurzem Zögern: "Es geht schon wieder aufwärts. Viel ist zwar noch
zerstört, doch ist man unverdrossen". Nun wußte der Kaufmannssohn, daß
dieser Mann log. Nie und nimmer konnte er aus Antiochia
sein, denn vor
kurzer Zeit war er selbst in dieser Stadt gewesen und hatte alles dort in bester
Ordnung vorgefunden.
Er ließ sich jedoch nichts anmerken, nickte dem Manne, der sich
Mahmut nannte, zu, wies die Köchin an, ein Mahl für ihn und seine Sklavin zu
bereiten,
und zog sich in seine Gemächer zurück. Nach kurzer Zeit hatte er sich
erfrischt und begab sich in den Raum, der den Männern vorbehalten war. Dort
saßen bereits sein Verwalter und die drei Händler an der Wasserpfeife. Die
Händler erzählten sich Geschichten von ihren Reisen und von ihren Geschäften.
Der Seidenhändler und derjenige, der mit Töpferwaren handelte, schienen
ehrliche Kaufleute zu sein, doch der dritte verriet sich ein ums andere Mal - er
war gewiß ein großer Täuscher, doch als Geschichtenerzähler war er ein
Däumling.
Er schien sich Geschmeide in arabischem Stil wohlfeil fertigen zu lassen und an Ahnungslose aus dem
Abendlande teuer zu verkaufen, indem er vorgab, es in Arabien erworben und
unter großen Gefahren und Mühen heimgeführt zu haben. Und damit nicht genug, er schien darauf noch stolz zu sein. Doch bald brach aus ihm heraus, aus welchem wahren Grunde er
in dem Hause weilte, denn er rief unvermittelt: "Eine wahrlich schöne und
tugendsame Sklavin habt ihr heimgeführt!". Er raunte, Verständnis
vorgebend: "Ihr gedenkt wohl, sie zu freien!", und setzte mit
schmeichelnder Stimme hinzu: "Gewiß schätzt sie Euch sehr, Ihr seid ja ein
reicher und kluger Mann!".
Den Kaufmannssohn erboste, wie sehr dieser Mann versuchte, sich bei ihm anzubiedern
und sich mit ihm gemein zu machen. Doch wollte er dies Possenspiel nicht so
rasch beenden und erwiderte barsch: "Ob sie mich schätzt, das ist mir
einerlei! Ich bin ihr Herr, und sie hat sich zu unterwerfen!".
'Daher bläst der Wind', dachte sich "Mahmut", 'er redet so stark
daher, weil sie ihn verschmäht!' Dies stimmte ihn sehr heiter, und er sah schon
Sahtekar den Teppichhändler ihm ein gutes Sümmchen überreichen, da er ihm
frohe Kunde brachte. Doch um sicherzugehen nahm er sich vor, den Herrn auf seine Strenge hin zu prüfen,
ihm heimlich in dessen Hause nachzuschleichen und ihn auszuspähen.
Der Kaufmannssohn nahm einen letzten Zug aus der Wasserpfeife, sprach etwas
verdrießlich, er habe
nun zu speisen, begab sich in das Eßgemach, und, nachdem er sich bei Tische eingefunden
hatte, erwartete er
dort sehnsüchtig seine
Sklavin und Geliebte.
Diese trat bald nach ihm den Raum, setzte
sich zu ihm und sprach: "Der Geschmeidehändler ist es, nicht wahr!". Der
Geliebte fragte, wie sie denn darauf gekommen sei, sie habe doch kein Wort mit
ihm gewechselt. Sie antwortete: "Er trug als einziger seinen Beutel mit dem
Gelde in der Hand! Nur der vertraut dem Gastherrn nicht, dem selber nicht zu
trauen ist!".
Der Kaufmannssohn berichtete ihr kurz, was bei der Wasserpfeife besprochen
wurde, und, als die Rede auf seine Strenge als Sklavenherr gekommen war,
blitzten ihre Äuglein auf, und sie sprach voll Heiterkeit zu ihm: "Nun
werden wir das Spielchen weiterführen! Das Vöglein habt Ihr heimgebracht,
nun seid sehr auf der Hut, auf daß es nicht entfleucht! Denn nicht ein Täubchen
habt Ihr Euch gefangen, es ist ein kleiner Falke. Ihr seid ein Herr und kennt
die Falkner. Sie wissen, wie sie umzugehen haben mit den wilden Tierchen!".
Der Geliebte sprach: "Die Falkner! Sie pflegen ihre Falken an Kettchen festhalten
und legen ihnen Hauben an! Die Falken sind allein dann frei, wenn es dem Herrn
beliebt."
"Genauso muß es sein!", sprach sie darauf vergnügt, und beide sahen
sich in die Augen,
bis man das Mahl herbeitrug.
Da Geliebter und Geliebte sehr ausgehungert waren nach der langen Reise, verlief
dies Mahl recht schweigsam, nur der Kaufmannssohn sah zuweilen auf zu seiner
Gefährtin, um sich erneut an der Anmut, mit der sie es vermochte, ihre Speisen zum
Munde zu führen, zu erfreuen.
Als das Mahl beendet war, sprach die Geliebte: "Wollen wir uns nun in Eure Gemächer begeben, strenger Herr, Ihr erwartet noch Besuch!".
Beide begaben sich also ins Wohngemach des
Kaufmannssohnes,. Dort setzte sich die Sklavin auf einen ledernen Schemel nieder
und legte ihre Arme auf den Rücken, den sie wußte, was nun kommen würde. Und
in der Tat zog ihr Geliebter ein Schloß hervor und schloß ihr hinter dem
Rücken die Sklavenketten, die sie nun sieben Tage schon trug, so eng zusammen, wie er es nur vermochte.
Während man auf den Sattler wartete, flößte der Herr der unbeweglich auf ihrem
Schemel sitzenden Geliebten zuweilen ein wenig Tee ein und fütterte sie mit ein
wenig Naschwerk.
Nach geraumer Zeit, es mochte etwa eine Stunde verstrichen sein, betrat der
Sattler das Gemach und war über das, was er vorfand, doch baß erstaunt. Doch
sammelte er sich rasch und harrte der Wünsche, die an ihn herangetragen werden
mochten.
"Sattler", sprach der Herr, "Ihr seht hier ist eine überaus
schwatzhafte Sklavin. Sie leidet selbst gar sehr darunter und ist des Wunsches voll,
mit Eurer Hilfe imstande zu sein, für Dauer ihre Zunge im Zaume halten." Die Sklavin nickte hierzu
ergeben.
Der Sattler sprach: "Keinen Besseren als mich werdet Ihr für diesen Zweck
je finden können. Ihr habt wahrlich großes Glück, einen Meister für Zaumzeug
in Eurem Hause anzutreffen!". Er zog aus seinem Handwerksbündel Riemchen aus
feinstem Leder hervor und fragte den Hausherrn, wie denn das Zaumzeug beschaffen
zu sein habe. "Das soll meiner Sklavin überlassen bleiben", antwortete
dieser, "ich bestehe nur darauf, daß es ihr unmöglich ist, es alleine
abzustreifen."
Er fuhr fort: "Doch zuallervörderst ist es mein Wunsch, daß Ihr der Sklavin einen
Sklavenring um den Hals anfertigt, aus mit Eisen beschlagenem Leder. Dieses
Leder hat aus allerbester Ware zu sein, weich und schmiegsam, denn es soll ein Ring
sein, der nicht mehr abzunehmen ist. Eine eiserne Öse wünsche ich mir daran,
damit ich, wenn es mich danach verlangt, mittels einer Kette stets bestimmen
kann, wo sie sich aufzuhalten hat."
Der Sattler ging nun sehr sorgfältig zu Werke, und bald war um den Hals der
Sklavin der mit Eisen beschlagene lederne Halsring gefertigt, der nicht mehr abzunehmen war.
Nun war es aber an ihr, Wünsche zu äußern, und sie sprach: "Verehrter
Sattler, ich bitte Euch, vom Zaumzeuge zwei Stücke anzufertigen, eins für den
Tag, das andre für die Nacht. Ein Bällchen möge zwischen meine Lippen sich
drängen, gehalten
von Eurem feinen Leder. Zarte Riemchen wünsche ich mir daran, die mein Haupt gar fest umschließen und dies Leder halten."
Vergnügt reimte sie nun:
"Das Zaumzeug für den Tag soll niemand seh'n, den Schleier tragend,
Mein Näslein, ist mein Wunsch, laßt darum frei!
Beim Zaumzeug
für die Nacht jedoch, zur Stirne aufwärtsragend,
Sind Riemchen an dem Näslein gern dabei!"
Sie fügte hinzu "Das Schlößchen zum Abschließen legt in meinen Nacken, dort drückt es
nicht."
Wieder begann der Sattler sein Werk, umsichtig und gekonnt, und schließlich
lagen vor ihm zwei Stücke feinsten Zaumzeuges, des feinsten, das er je
gefertigt hatte. Die Sklavin deutete, da es bereits dunkelte, mit ihrem
Köpfchen auf dasjenige, das für die Nacht vorgesehen war, und dies wurde ihr
sogleich angelegt und abgeschlossen.
Der Sattler empfahl sich, doch, bevor er das Gemach verließ, waren hinter der
Türe leise Schritte zu hören, die sich eilends entfernten.
Sklavin und Herr sahen sich wissend in die Augen, denn sie hatten, als der
Sattler in seine Arbeit versunken war, wahrgenommen, wie ein Dielenbalken
knarrte. Dies konnte nur der heranschleichende "Mahmut" sein.
In der
Tat hatte "Mahmut" durch eine Türritze gespäht und zog nun
hocherfreut ab über das, was er gesehen hatte. Er jauchzte still bei sich, rieb
sich die Hände und
dachte: 'Wie gering muß sie ihn schätzen und wie sehr verachten, wenn er sie
knebeln muß, damit sie Haß und Verachtung nicht hinausschreit in die stille
Nacht!'. Das Sümmchen, das er von Sahtekar dem Teppichhändler erwartete, wurde
in seinem Kopfe größer und größer.
Im Wohngemach jedoch zog, als der Sattler gegangen war, der Geliebte nun ein dünnes, vielleich zwei Spannen langes Kettchen
aus Stahl hervor, zog es durch die Öse des Halsringes, der nicht mehr abzunehmen war, nahm die Kettchenenden in seine
Hand und bat seine geliebte Sklavin, ihm zu folgen.
Sie folgte ihm bereitwillig, und er zog sie zu seinem Lager, einer breiten eisernen
Bettstatt, befreite ihre noch
immer hinter dem Rücken zusammengefesselten Hände, zog sie vor ihren Leib, nahm zwei Schlösser zur
Hand und schloß jedes Kettenende des Stahlkettchens an eines der Sklavenketten ihrer
Hände, die nun mit ihrem Halsring fest verbunden waren.
Die Geliebte legte sich auf den Rücken, und ihr Gefährte deckte sie zu. Er
schritt durch das Schlafgemach, nahm den Reisebeutel zur Hand und zog daraus die
Fußschellen hervor, die beide vor mancher Gefahr bewahrt hatten.
Er zog die Decke über ihren Füßen ein wenig zurück, schloß die Füße mit den
Schellen zusammen
und deckte sie wieder zu, legte sich neben seine Gefährtin auf sein Lager, küßte ihre
Wangen, die Stirn und das Näschen.
Schließlich zog er eine hinter seiner Lagerstatt verborgene und dort fest
angebrachte Kette hervor und schloß sie an ihren Halsring, der nicht mehr abzunehmen
war.
Die Sklavin schloß die Augen, rollte sich zur Seite, und ihr geliebter und
gestrenger Herr löschte das Kerzenlicht.
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ã 2001 by Ulli Dillis
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