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Sklavin aus Liebe


ein orientalisches Märchen

von Ulli Dillis

mit einer Graphik von John Willie

und

Jennifer Albrecht

gewidmet

 

- Teil 7 -

 

Kahraman verließ Arkadas' Haus wie im Traume und suchte seine Freunde, die Gold- und Silberschmiede, auf. Die vier Männer saßen unweit im Schatten eines weißgestrichenen Hauses auf niedrigen bastgeflochtenen Hockern im Kreise, rauchten die Wasserpfeife und erzählten sich lebhaft und gestenreich ihre Erlebnisse. Als Kahraman zu ihnen trat, begrüßten sie ihn mit Handschlag und fragten, wie es ihm denn seit des vorigen Beisammenseins ergangen sei. Doch wie sehr Kahraman sich auch dagegen sträubte, all seine Gedanken führten ihn stets zurück in den Falkenkäfig zu seiner Geliebten, die sich dort in Ketten nach ihm sehnte, und er nach ihr. So entgegnete er: "Ein wundervolles Licht, ein zauberhaftes Schimmern!"

Die Freunde sahen sich an und einer fragte: "Seid Ihr noch ganz bei Troste? Wie war denn Euer Wüstenritt?" Kahraman antwortete: "Im Fluge wird die Welt ganz klein!". So ging es weiter, bis schließlich der Goldschmied, der ein alter Freund von ihm war, ein Einsehen hatte und zu ihm sprach: "Kahraman, die sengende Sonne der Wüste hat Euch um Euren Verstand gebracht! Ihr habt wohl nicht bedacht, das Haupt stets zu verhüllen! Doch, Allah sei Preis und Dank, nur für kurze Zeit vermag es die Sonnenglut, Euren Geist so zu verwirren. Legt Euch getrost zur Ruhe, und morgen seid Ihr wieder Kahraman, der kluge Kaufmann, wie wir ihn alle schätzen!"

Kahraman war überglücklich und fühlte sich erlöst.

Er betrat eilends Arkadas' Haus und dachte bei sich:

"Zurückgekehrt und liebestrunken,
Betret' ich nun des Sehnens Raum,
In dem die Liebste traumversunken, 
Und tauche ein in diesen Traum." 

Kurz sog er das zauberhafte Bild, das sich ihm bot, in sich auf, dann löste er all die Ketten seiner Sklavin, entkleidete sie sehr behutsam, entstieg seinen Gewändern, schlang seinen Arm um ihren Leib und führte sie zur Lagerstatt. Sein kleiner Falke legte sich rücklings hin und breitete weit seine Schwingen aus. Kahraman ergriff die ausgebreiteten Schwingen und schloß deren ledernen Armreifen am eisernen Bettgestell fest. 

Nun lag die Sklavin, völlig wehrlos und ihrem Herrn gänzlich ausgeliefert, auf der Lagerstatt und schloß die Augen. 

Ihr Geliebter küßte ihr voll Leidenschaft den Mund, die Wangen und die Ohren; sein Mund glitt herab zu ihrer Brust, umstrich und liebkoste deren Knospen, sank küssend tiefer bis zu ihrem nektarvollen Blütenkelche, liebkoste ihn sehr lang und zart, stieg erneut empor zu ihrem Munde, und endlich, endlich, endlich betrat Kahraman das Reich ihres Leibes und ihrer Liebe.

Die Lagerstatt, das Gemach und Arkadas' Haus waren auf einmal verschwunden, und der kleine Falke begann mit ausgebreiteten Schwingen in der Luft zu schweben, er kreiste lustvoll höher und höher, er drehte sich, er stieß hinab, ließ sich wieder steigen und Kahraman, ihr Geliebter, der eng mit ihm schwebte, trug ihn weiter und weiter empor. Wilder und wilder wurde ihr Gefährte dabei und die Geliebte ließ sich immer höher emportreiben in ihrer Lust, bis endlich ganz hoch droben ihr die Sinne gänzlich schwanden und sie fallend getragen wurde von Kahraman, dem Geliebten.

Immer heftiger drang der in den geliebten Leib seiner Sklavin, die sich bereits im Paradies befand, ein, und hoffte nichts sehnlicher, als mit ihm zu verschmelzen. Laute wilder Sehnsucht und Leidenschaft entrangen sich seinem Munde und Schweißperlen troffen von seinem Haupt. Und endlich, endlich erreichte nach diesem letzten beschwerlichem Aufstieg auch er das Paradies, und ein Schrei der Erlösung kündete vom Eintritt in dasselbe.

Glücklich und ermattet legte er sein Haupt an eine der gebundenen Hände der Geliebten, und die strich über das zerzauste Haar des wilden Raubvogels, der plötzlich nun so zahm war.

Geraume Zeit lagen sie nun so beieinander, während Kahraman seiner geliebten Sklavin zart über den Leib strich.

Kahraman schloß nun seiner Sklavin die Hände von der Bettstatt, und beide umschlangen sich fest und ruhten noch ein Weilchen.

Kahraman hatte schwere Arbeit hinter sich, und so regte sich bald sein Magen. Er erbot sich, eine kleine Mahlzeit zu bereiten, und verschwand in Arkadas' Küche. Daraus drang nun lautes Klappern, Rumpeln und Stoßen, wie es nun einmal Männersitte war. Mit einem Male wurde das Rumoren  leiser, und die Geliebte vernahm nur noch ein leises Klirren. Kahraman trat zu ihr an die Bettstatt und führte sie zu einem kleinen Tischlein, das im Innenhofe neben dem kleinen Teich aufgestellt war, und das nun ein köstliches Mahl neben einem Fläschlein dunkelroten Weines zierte.

"Ei, wie habt Ihr denn den Wein herbeigehext?", fragte sie überrascht und ihr Geliebter antwortete ihr mit gespielter Großspurigkeit, er sei ein mächtiger Hexenmeister und verstehe sich auf mancherlei Zauberstückchen, und sie solle sich vorsehen, auf daß er sie selber nicht verhexe.

Er öffnete die Flasche mit großer Geste und schenkte ihr und sich ein. Beide sahen sich tief in die Augen und stießen miteinander an. Die Gläser klangen hell, und als man sich dem Mahle zuwandte, sprach die Sklavin leise: "Ich habt mich bereits verhext!"

Bei dieses Worten wurde es Kahraman sehr warm uns Herz, und er schwor sich, sie stets in seinem Zauberbann zu halten.  

 

© 2001 by Ulli Dillis

Kommerzielle Verwendung untersagt

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