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Sklavin aus Liebe


ein orientalisches Märchen

von Ulli Dillis

mit einer Graphik von John Willie

und

Jennifer Albrecht

gewidmet

 

- Teil 8 -

 

Froh saßen Kahraman und seine Sklavin in trauter Zweisamkeit und schmiedeten Pläne für die Zukunft, und aus der einen Flasche Wein wurden rasch zwei, als plötzlich beiden zur gleichen Zeit wie ein dunkler Schatten der Bösewicht Sahtekar in den Sinn kam. Kahraman kam dabei sehr ins Grübeln und sprach trübselig vor sich hin: "Ich werde mit ihm kämpfen müssen. All mein Glück will er mir rauben, dann ist es besser, ich sehe dem Tod in die Augen!"

"Kahraman, Ihr seid ein Narr!", entgegnete seine Gefährtin, sah ihm gestreng ins Antlitz, und fuhr fort: "Wir werden ihm mit List begegnen! Ein kleines Fünklein einer Hoffnung brennt bereits in mir. Kahraman, Ihr habt dieser Tage große und wichtige Geschäfte zu tätigen. Seid hierbei ein tüchtiger Kaufmann, handelt und verhandelt, und habt Erfolg! Mich jedoch legt zu diesen Zeiten in Ketten und schließt mich an Arkadas Mauer, wie es bereits geschehen. Ihr wißt ja, wie die Frauen sind. Läßt man sie im Hause frei umherstreifen, lenkt sie bald dies, bald jenes ab, und vieles gutes Kleines wird geschehen, doch nicht das große Ganze. Und in diesen Banden, in diesem strengen Frieden, darin werde ich gewiß Ruhe finden für meinen klugen Plan, und der wird Sahtekars Ungeist ein für allemal fortschaffen aus unser beiden kleiner Welt! Denn mag es gewiß vorzügliche Schmiede geben unter den Männern, der beste Ränkeschmied, der ist und bleibt die Frau!"  

Ob der Zuversicht seiner Sklavin wurde es Kahraman viel leichter ums Herz, und frohen Mutes und voller Liebe schloß er ihre Hände zur Nacht an die eisernen Stäbe der Lagerstatt, denn, soviel wußten beide, eine Sklavin hatte nächtens in Banden zu ruhen, denn allein auf diese Art ist ihr ihr Herr stets nahe.

Kahraman vertraute seiner Sklavin und ihrem klugen Köpflein, und so geschah es, daß Kahraman nach dem Morgenmahle seiner Sklavin das eiserne Geschirr anlegte. Sie setzte sich dabei auf den Schemel, streckte ihm demutsvoll ihre Hände entgegen, und Arkadas sank vor ihr auf die Knie. Nachdem er Hände und Füße miteinander verbunden hatte, küßte er ihr zart all ihre Zehen, die größten zuerst und die kleinsten zuletzt, bevor er aufstand und den ledernen Ring an ihrem Hals fest an den Ring in der Wand kettete. Er küßte sie zum Abschied voller Leidenschaft, und schritt aus der Tür, seiner Pflicht entgegen.

Kaum hatte Kahraman das Haus verlassen, schloß seine Sklavin die Augen und neigte den Kopf langsam so weit nach unten, bis die Kette sich straffte, und ein plötzlicher Ruck am Halse ihr die Unerbittlichkeit des Angeschlossenseins aufzeigte. Ein wohliger Blitz des Schauderns durchzuckte sie dabei, und sie streckte Hände und Füße auseinander, soweit es die Ketten des Geliebten eben zuließen, zerrte wieder und wieder daran, um sich der Strenge und Unnachgiebigkeit der Fesseln zu vergewissern und fühlte, wie sehr es ihr behagte, Kahramans Sklavin, ja, Kahramans Kettensklavin zu sein.

Danach versank sie in ihren Plan, der schon ein wenig Gestalt anzunehmen begann. Wurde ihr der Schemel zu hart und das Sitzen zu lang, stand sie auf und vertrat sich ein wenig sich die Beine. Die Fessel an den Füßen ließ nur kleine Schrittchen zu, doch die eiserne Kette, mit der sie am Hals an das Haus geschmiedet war, ließ ihr ohnehin nur wenig Raum.

Den ganzen Tag verbrachte sie angekettet an der Wand. Dann kehrte Kahraman zurück nach Hause, beladen mit feinstem Geschmeide aus Gold, Silber und funkelnden Edelsteinen, die er bei seinen Freunden erhandelt hatte, schloß die Kette an ihrem Halsring von dem eisernen Ring in der Wand, führte sie daran zum Badegemach, gab ihr etwas Speis und Trank, ergriff erneut die Kette an ihrem Halse und zog die Sklavin daran schließlich in ihren Ketten sanft aus der Tür.

Die Wüstenhitze war zu dieser Stunde bereits einer angenehmen Abendkühle gewichen, und unter Palmen gings entlang des kleinen Teiches, bis man den Ort erreicht hatte, an dem das frische Grün der Oase in das Braun der Wüste wechselte. Kahraman und seine Sklavin setzten sich in den feinen Sand, der noch warm war von der Glut des Tages und sahen der Sonne nach, bis sie ein tiefes Rot angenommen hatte und über dem sandigen Meer versank.

Der Wüstenhimmel färbte sich dunkler und dunkler, und bald schon leuchteten die ersten Sterne herab. Mit zunehmender Schwärze der Nacht tauchten mehr und mehr Sterne auf aus der Finsternis, und bald war das Himmelsrund erfüllt von tausenden und abertausenden großen und kleinen, hell strahlenden und matt glimmenden Sternlein und Sternen, eine funkelnde Pracht in Hunderten von Bildern, wie sie beide so rein und klar noch nie genossen hatten. 

Kahraman kannte viele dieser Sternenbilder von seinen Seereisen und, was die Seeleute sich darüber zu erzählen wußten. Er zeigte seiner Sklavin den großen und den kleinen Bären und den Stern des Nordens, dessen die Männer des Meeres so sehr bedürfen in ihrer schwarzen Nacht. Schließlich deutete er auf ein Sternenbild und sprach: "Dies sind Andromeda und Perseus, zwei Liebende, deren Liebe auf Erden so stark war, daß sie für immer aneinandergeschmiedet am Firmament stehen." "Erzählt mir von Andromeda und Perseus!" bat die Sklavin, und Kahraman legte seinen Arm um sie und sprach: 

"Andromedas Mutter war Königin von Äthiopien und eine schöne, doch auch hoffährtige Frau Sie rühmte sich, schöner zu sein als die Töchter des Nereus, des Meeresgottes. Dies erzürnte die Töchter des Nereus, und so brachten sie ihren Vater dazu, sein gräßlichstes und gefährlichstes Meeresungeheuer auszusenden, auf daß es dem Volke Untergang und Verderben bringe. Ein Orakel wurde befragt, wie das Unheil abzuwenden sei, und das Orakel weissagte, nur der Opfertod einer königlichen Jungfrau könne das Ungeheuer davon abhalten, sein grausiges Werk zu verrichten. Andromeda war bereit, sich für ihr Volk zu opfern, und wurde nackt mit ehernen Ketten an einen Felsen am Meeresufer geschmiedet. Dort stand sie in Erwartung des Ungeheuers und den Opfertod vor Augen, als der Göttersohn Perseus vor ihr stand. Perseus nannte silberne Schwingen sein Eigen, mit deren Hilfe er sich in die Lüfte stoßen konnte, und war über das Meer geflogen, als er Andromeda ansichtig wurde und hatte sich sogleich in die gefesselte Schöne verliebt. Er bezwang das Ungeheuer, und aus den Ketten der Angst wurden Ketten der Liebe, und, als ihre Zeit gekommen war, wurden Perseus und Andromeda in die Ewigkeit entrückt als Sternenbild, kündend von der Kraft der Liebe."

Beide schwiegen nun lange, und so prächtig der Sternenhimmel auch war, so entwich doch die letzte Wärme des Tages in den Weltenraum; es wurde kalt und kälter, und so rüsteten sich beide zur Rückkehr. Ein voller Mond war aufgegangen und übergoß die Oase mit fahlem Schein. Die Sklavin sprach leise zu Kahraman: "Herr, wie glücklich schätze ich mich, Ketten der Liebe zu tragen - einem Meeresungeheuer gehörte ich nicht gerne!" "Das hätte Euch auch gleich verschlungen!", versetzte Kahraman, und seine Sklavin sprach darauf: "Aber Ihr dürft mich verschlingen!". Kahramans große warme Hand ergriff ihre zarte kleine, und er sprach im Tone eines Meeresungeheuers: "Und ich werde Euch verschlingen - diesen Abend noch!"

 

© 2002 by Ulli Dillis

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