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Der Fünfzigste

- Prolog - 

Nun bin ich auch schon fünfzig Jahre
ein wenig schütter sind die Haare;
das Haupt changiert zu silbergrau,
gesetzt ist jetzt der Körperbau.

Den Hinterkopf ziert eine Platte,
wo einst die Siebzgerjahre-Matte,
und vorne wölbt sich sanft ein Bauch,
nachdem entsagt ward Qualm und Rauch.

"Schluß mit dieser Larmoyanz!
Bitte etwas mehr Substanz!"

Endlich bin ich fünfzig Jahre,
hab das halb-, dreiviertelgare
Tal der Jugend nun durchschritten,
bin in meiner Lebensmitten

nun ein durchgegorner Wein,
nicht mehr schäumend, sondern fein.
Und so werd ich mich anschicken,
noch einmal zurückzublicken:

- Kindheit -

Zur Welt kam ich gottlob gesund,
mit ausgewogenen acht Pfund,
wuchs, wie es ist in der Natur, 
gewann an Größe und Statur.

Ich lernte, wie man Schuhe bindet,
beim Memory die Paare findet,
ich stieg auf jeden hohen Baum,
denn ängstlich war ich damals kaum.

Ich lernte mit dem Bruder raufen,
im "Kaufhaus Kinderglück" verkaufen,
beim Fangermandl ganz schnell laufen
und dann beim Steckerleis verschnaufen.

Dann kam herbei der Ernst des Lebens,
nach-Höherem- und Bildungstrebens,
und daß ich hierbei nichts verpasse,
schickt' man mich in die erste Klasse.

So gings zur Schul, die Bank zu drücken
mit'm ledern Ranzen auf dem Rücken,
und wenn ich lief, fing an zu tanzen,
das nasse Schwämmchen hinterm Ranzen.

Und in dem vierten Volksschuljahr,
da sprach man: "Es ist sonnenklar,
der Bua, der ist ja gar nicht dumm,
der muß jetzt aufs Gymnasium!".

- Jugend -

Also besucht' ich 's Gymnasium und fuhr jeden Tag mit der Vierer;
schrieb in der Trambahn in krakliger Schrift Hausaufgab, die ich vergessen,
denn ich war faul, kein fleißig und strebsam Studierer -
lieber nach draußen zum Spielen als fleißig am Schreibtisch gesessen.

So wurden wir groß, an Körper und Geist,
mens sana in corpore sano zumeist,
und des hier, das waren die einzigen Qualen:
nichtangekündigte Extemporalen.

Wir lasen dann Heine und Hesse,
Goethen, den Schiller, Bert Brecht.
Doch wer fand da unser Int'resse?
einzig das andre Geschlecht.

Rock around the clock tonight,
was war des für a geile Zeit,
was hamma danzt, was hamma gschwitzt,
was warn ma für einand erhitzt,
wie in ein'm Fieba
nix dadma ma lieber,
Hauptsach' war: der Rhythmus sitzt.

Doch wie es war am schönsten,
da gings zum Militär,
ich kriegte zwei Paar Stiefel
und auch ein Schießgewehr.

Soldat war ich nicht gerne,
und endlich war das rum,
ich grüßte die Kaserne,
begann das Studium.

- Student -

Das Gaudeamus igitur,
das iuvenes dum sumus,
entsprach schon mehr meiner Natur,
habebit nos der humus.

Die alte Burschenherrlichkeit,
die hat mir sehr gepaßt,
das war des Lebens goldne Zeit,
Studieren ohne Hast.

Wars Geld mal aus, dann wurde gschafft,
es tat mir wohl nicht schaden,
das Lasterfahrn braucht nicht viel Kraft,
auch wenn der vollbeladen.

Am Abend, da saßen wir gerne
am Chinesischen Turm bei dem Bier,
am Himmel phosphoreszierten die Sterne,
und unten philosophierten wir.

Habe nun, ach! Mathemathie,
Elektrikerei, Mechanizin,
und leider auch Infologie!
durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor -
jetzt steht 's Examen kurz bevor!

Und so kams: in unsäglicher Frühe,
im Morgengrauen um zehn,
nahm auf mich ich die tägliche Mühe,
zur Staatsbibliothek hinzugehn.

Dort saß ich dann zehn Stunden 
vor Büchern einquartiert.
Examen ward bestunden,
es hatte sich rentiert.

- Frankfurt -

Nun ging ich mich verbessern
ins wilde Hessenland,
ich war bei den Vermessern,
wie einst Old Shatterhand.

Ja, Frangford liegt in Hesse,
hot Äppler statt dem Bier;
d' Kollesche tun vamesse,
un isch, isch programmier.

Da hab ich klaanes Wäarmsche
Progrämmsche zsamgebaut,
daß des Commerzbank-Täarmsche
ka Stäarmsche net umhaut.

Auch prüft' ich zum Verregge,
bevor man sie befuhr,
die DB-Neubaustregge
Köln-Frangford und retour.

Am Abend, da ging ich sehr gerne
mit d' Kollesche zum Äppelwein,
über Seckbach, da stehen die Sterne,
und unne der Bembel aus Stein.

Dann, nach zehn Arbeitsjahren,
wurd' ich mein eigner Herr
und mit beschränkter Haftung
Alleingesellschafter.

- Regensburg -

Ja, unergründlich sind die Wege des Herrn,
einen Großauftrag hatt' ich entdeckt,
in Regensburg, über drei Bahnstunden fern,
ein Multimediaprojekt.

Und da, im Hospiz der Diözese,
hier hatt ich mein kleines Quartier,
und praktizierte dort meine Askese:
ein Bett und ein Stuhl und ein Tisch und drei Bier.

Und daß man wieder boarisch red,
des ist ja net vakehrt,
denn auf de Dauer wird ma bled,
bal ma nur hessisch heard.

An der Steinernen Brücke, da werden gebraten
die ältesten Bratwürst der Welt,
bei Hochwasser muß man zur Wurschtkuchel waten,
wie man sich dort gerne erzählt.

Am Abend, da war i gerne
mit meine Kollegen beim Bier,
überm Spitalgarten leuchten die Sterne,
und unten befeuchten uns wir.

An oam Tag hab i gmoant, daß gspinnert i werd,
denn in der Fruah begegnete mir
a Achtspänner mit weiße Geißböck statt Pferd,
und mit Fässer voll Kneitinger-Bier.

Doch eines schönen Tags im Mai
da wars mit dem Projekt vorbei,
adieu du schöne, alte Stadt,
mal schaun, wer jetzt was für mich hat.

- München -

Die Bayrischen Motorenwerke
suchten einen Mann,
voll Wissen und mit Geistesstärke,
ich bot mich also an.

So zog ich zurück nach meim Isar-Athen
in a Wohnung am Josephsplatz,
denn München ist München und München ist schön,
auf da Welt gibts da keinen Ersatz.

Ja, die Ludwigstraß mit der Pappelallee,
mit der Feldherrnhalle am End,
Chinesischer Turm, Kleinhesseloher See,
ich war gleich wieder jung, war Student.

Zum Seehaus, da geh ich sehr gerne
mit meinen Kollegen zum Bier,
im See, da karfunkeln die Sterne,
und am Ufer im Dunklen sind wir.

Und den Roßstein, den Fockenstein und die Rotwand,
die ham meine Fiaß scho bezwunga,
ja, schön ists im bayrischen Oberland,
und guat tuats de meinigen Lunga.

- Epilog -

I wünsch ma no vui Lebensjahr,
mit lauta scheene Dinger,
bevor i dereinst auffifahr
zum Hosianna singa.

Jetzt habds ihr lange zugehört
dem Uli und seim Leben;
ich hoff, es hat euch nicht gestört,
drauf wolln wir einen heben.

Prost!

(© 2007 by Ulrich Dillis)